Hitze ist die größte Herausforderung
Längere und intensivere Hitzeperioden sind die risikoreichste Folge des Klimawandels für Beschäftigte in deutschen Unternehmen. Das geht aus einer Umfrage des Spitzenverbandes der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), mit 418 Betriebsärztinnen, Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit hervor. An zweiter Stelle der Risiken stehen psychische Stressreaktionen wie Reizbarkeit, Aggression, Angst und Hilflosigkeit.
Diese Einschätzungen decken sich mit den Ergebnissen einer vorangegangenen Klima-Umfrage der DGUV mit über 1.000 Beschäftigten im Jahr 2022. Auch in dieser Erhebung stuften die meisten Befragten Hitze und psychische Stressreaktionen als dringendste Gesundheitsrisiken ein, die durch den Klimawandel verursacht werden.
Klimawandel – ein Thema in Unternehmen?
Der Klimawandel wirkt sich auch auf die Arbeitswelt aus. Studien kommen beispielsweise zu dem Schluss, dass klimatische Veränderungen zu einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Problemen führen können wie zum Beispiel einer Zunahme von Allergien. Laut DAK-Gesundheitsreport erleben zwei Drittel der Erwerbstätigen ihre Leistungsfähigkeit bei Hitze als eingeschränkt. Eine Erhebung, die auf Daten aus der Schweiz fußt, kommt zu dem Ergebnis, dass an Hitzetagen über 30 Grad die Zahl der Arbeitsunfälle um 7,4 Prozent steigt. Der Klimawandel ist damit auch ein Thema für den Arbeitsschutz und Expertinnen und Experten, die Betriebe und Einrichtungen zu den Themen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beraten.
Die gesetzliche Unfallversicherung hat daher Betriebsärztinnen, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit gefragt: Wird in den Betrieben über Folgen des Klimawandels gesprochen und wird nach möglichen Lösungen für die damit verbundenen Herausforderungen gesucht?
Das Thema Klimawandel ist nach Einschätzung der Fachexpertinnen und Fachexperten bereits für viele Betriebe relevant. Rund 38 Prozent stimmen der Aussage "überwiegend oder voll und ganz” zu, dass sich der Klimawandel in den vergangenen Jahren auf die Arbeitsplätze und Tätigkeiten ausgewirkt hat. Weitere 34 Prozent stimmen dieser Aussage "eher zu" (6-stufige Antwortskala von „trifft voll und ganz zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“). Damit ergibt sich eine Zustimmung von über 70 Prozent zu dieser Aussage. Gleichzeitig geben 46 Prozent der Befragten an, dass in den von ihnen betreuten Betrieben bereits Maßnahmen ergriffen wurden, um Risiken durch den Klimawandel entgegenzuwirken. Weitere 23 Prozent berichten, dass bereits Maßnahmen geplant seien.
Fachleute sehen höheren Beratungsbedarf
Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben die Aufgabe, Unternehmen zu Fragen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu beraten. In der Umfrage stimmen rund ein Viertel der Befragten der Aussage „überwiegend oder voll und ganz“ zu, dass sie Gefährdungen durch den Klimawandel häufig proaktiv im Betrieb ansprechen. Weitere 27 Prozent stimmten dieser Aussage „eher zu“.
Direkt auf das Thema “Klimawandel” angesprochen werden die Fachexpertinnen und -experten eher selten. 13 Prozent der Befragten stimmen „voll und ganz“ beziehungsweise „überwiegend“ zu, häufig Anfragen aus den Betrieben zum Umgang mit klimabedingten Gefährdungen zu bekommen, weitere 21 Prozent sagen dies „trifft eher zu“. Maßnahmen zum Hitzeschutz sind auch bei diesen Anfragen das dominante Thema.
“Hitze hat einen unmittelbaren Effekt auf die Arbeitsfähigkeit - vor allem im Outdoor-Bereich aber auch in Innenräumen wie zum Beispiel in der Pflege. Es ist deshalb nicht überraschend, dass die Unternehmen vor allem beim Risiko Hitze bereits Maßnahmen ergreifen, um ihre Beschäftigten zu schützen und somit die Arbeitsfähigkeit zu erhalten,” sagt Dr. Maria Klotz vom Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG). “Nach den Beschäftigten im Jahr 2022 haben wir in dieser Untersuchung Fachleute im Arbeitsschutz befragt, welche die Betriebe beraten. Ihre Antworten verdeutlichen, dass schon einiges getan wird, um den klimawandelbedingten Risiken für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu begegnen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass längst nicht alle Betriebe Maßnahmen umsetzen oder planen. Aus Sicht der Fachkräfte ist ein Grund oft ein mangelndes Problembewusstsein für den Klimawandel und seine Auswirkungen. Hilfreich wären daher mehr Aufklärungs- und Beratungsangebote zum Thema, von denen vor allem die kleineren Betriebe sehr profitieren könnten.”
Fazit: Nach Einschätzung der Betriebsärztinnen, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind die Auswirkungen des Klimawandels für viele Betriebe bereits spürbar. Als das größte Risiko für die Beschäftigten werden die Folgen von Hitze gesehen. Daher wird dieses Thema auch hauptsächlich in der Beratung durch die Expertinnen und Experten für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz thematisiert.
Setting der Umfrage
Für die Umfrage wurden Personen, die sich im Betrieb mit Sicherheit und Gesundheit beschäftigen – vor allem Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit – gebeten, ihre Erfahrungen in einer Online-Umfrage zu teilen. Die Befragung fand vom 12. März bis 30. April 2024 statt, 418 Personen nahmen daran teil. Das Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) hat die Umfrage durchgeführt und ausgewertet.
Verbreitet wurde die Befragung über die Verteiler des Verbandes für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e.V. (VDSI) und des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V. (VDBW). Unter den Befragten waren 211 Fachkräfte für Arbeitssicherheit und 187 Mitglieder des Betriebsärztlichen Dienstes. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, (mehrere) Unternehmen extern zu betreuen, die andere Hälfte der Befragten gab an, als interne Fachperson im Unternehmen tätig zu sein.
Weitere Informationen zum Thema Klimawandel und Arbeitsschutz finden Sie HIER.
Statement Claus Heuberger, alternierender Vorstandsvorsitzender der Unfallkasse Brandenburg:
Klimawandel und Arbeitsschutz: Ein dringlicher Handlungsbedarf für Unternehmen
Aktuelle Studien unterstreichen einmal mehr die dringende Notwendigkeit, die Folgen des Klimawandels als zentralen Faktor in der Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse belegen eindrücklich, dass die Auswirkungen des Klimawandels bereits heute in vielen Unternehmen die Gesundheit sowie die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten spürbar beeinträchtigen und nicht zuletzt auch deswegen einen signifikanten Kostenfaktor darstellen.
Die Folgen von Hitzewellen wurden als das größte Risiko für die Beschäftigten identifiziert. Angesichts steigender Temperaturen und häufiger werdender Hitzeperioden erfordert dies ein Umdenken in den Unternehmen. Es ist unverständlich, dass trotz dieser klaren Erkenntnisse noch nicht alle Betriebe entsprechende Maßnahmen (Implementierung eines Hitzeplans!) ergreifen.
Die Unternehmen sollten nicht zuletzt auch in ihrem eigenen betriebswirtschaftlichen Interesse, ihre Verantwortung wahrzunehmen und den Schutz ihrer Beschäftigten vor den Folgen des Klimawandels in den Mittelpunkt ihrer arbeitsrechtlichen Fürsorgeverpflichtung zu stellen.
Die Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Unternehmen bei ihren Anstrengungen unterstützen. Zum Schutz des Klimas gehören die Unterstützung und Förderung von klimafreundlichen Maßnahmen, Verhalten und Technologien zu den Aufgaben von Staat und Gesellschaft. Effiziente, dem fortgeschrittenen Klimawandel geschuldete Anpassungsmaßnahmen gewinnen immer mehr an Bedeutung und fordern dringend verbindliche Arbeitsschutzstandards und eine Berücksichtigung des Klimawandels in der Gesetzgebung.
Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Sie betrifft uns alle und gebietet dringend, unser Handeln integrativ, interdisziplinär und branchenübergreifend zu überdenken. Ein umfassender und nachhaltiger Arbeitsschutz ist hierfür ein wichtiger und wegweisender Baustein nicht nur für eine zukunftsfähige Arbeitswelt.
Statement Michael Wolf, alternierender Vorstandsvorsitzender der Unfallkasse Brandenburg:
Klimawandel und Arbeitsschutz: Vorausschauend handeln
Unternehmen müssen proaktiv auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren und nicht erst dann handeln, wenn Schäden eingetreten sind. Der Klimawandel muss in alle Bereiche der Arbeitsschutzkonzepte integriert werden, von der Gefährdungsbeurteilung bis zur Umsetzung präventiver Maßnahmen. Angebote zur Gesundheitsförderung müssen an die veränderten Arbeitsbedingungen angepasst werden, um die Beschäftigten fit für die Herausforderungen des Klimawandels zu machen. Führungskräfte und Beschäftigte müssen für die Risiken des Klimawandels sensibilisiert und mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet werden. Der Dialog zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist von zentraler Bedeutung, um gemeinsam praktikable Lösungen zu entwickeln.
Den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen ihre Beratungsangebote weiter ausbauen und die Unternehmen gezielt bei der Umsetzung von Maßnahmen unterstützen. Dabei ist es wichtig, die Präventionsarbeit stärker auf die spezifischen Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen auszurichten.
Statement Dr. Nikolaus Wrage, Geschäftsführer der Unfallkasse Brandenburg und Feuerwehr-Unfallkasse Brandenburg:
Klimawandel und Arbeitsschutz: Wir stärken Mitgliedsunternehmen und schützen unsere Versicherten
Die Ergebnisse der aktuellen DGUV-Umfrage bestätigen, was wir bereits befürchtet haben: Der Klimawandel stellt eine zunehmende Herausforderung für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz dar. Die Hitzebelastung, die sich durch längere und intensivere Hitzeperioden verstärkt, ist dabei das offensichtlichste und dringendste Problem.
Über 70% der befragten Fachkräfte sehen bereits Auswirkungen des Klimawandels in den Betrieben. Zwar haben bereits viele Betriebe Maßnahmen ergriffen, jedoch besteht noch Potenzial, insbesondere bei kleineren Unternehmen. Fachkräfte für Arbeitssicherheit spielen eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung von Risiken und der Entwicklung entsprechender Präventionsmaßnahmen.
Wir müssen noch stärker auf die Risiken des Klimawandels aufmerksam machen und Unternehmen für die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen sensibilisieren. Wir werden unsere Beratungsangebote für Unternehmen weiter ausbauen, um sie bei der Entwicklung und Umsetzung von Hitzepräventionsprogrammen zu unterstützen. Die kontinuierliche Fortbildung von Fachkräften für Arbeitssicherheit ist unerlässlich, um sie auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse zu halten.
Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, wie Sozialpartnern, Krankenkassen und dem deutschen Wetterdienst, ist von zentraler Bedeutung. Hier engagieren wir uns, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Die kontinuierliche Forschung ist notwendig, um neue Erkenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt zu gewinnen und innovative Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Hier beteiligt sich die UK|FUK Brandenburg an den Aktivitäten der DGUV. Bestehende Arbeitsschutzstandards müssen an die neuen Herausforderungen angepasst werden.
Der Klimawandel stellt eine langfristige Herausforderung dar, die wir gemeinsam angehen wollen. Die Unfallkasse Brandenburg wird ihren Beitrag leisten, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten, der ehrenamtlich Engagierten und vor allem der Kinder und Jugendlichen in Brandenburg zu gewährleisten.
Statement Barbara Melcher, Präventionsleiterin der UK und FUK Brandenburg
Klimawandel und Arbeitsschutz: Präventionsmaßnahmen
Der Klimawandel stellt auch die Arbeitswelt vor neue Herausforderungen. Als gesetzlicher Unfallversicherungsträger haben wir dabei vor allem die Beschäftigten und die Kinder im Blick.
Hitze erweist sich als das größte, durch den Klimawandel bedingte Gesundheitsrisiko. Eine Studie der Universitäten Passau und Bern When Weather Wounds Workers: The Impact of Temperature on Workplace Accidents, Drescher, Janzen, 2023 hat gezeigt, dass die Zahl der Arbeitsunfälle an Tagen mit einer Temperatur >30°C um mehr als 7% steigt. Dabei sind letztendlich alle Beschäftigte gleichermaßen betroffen.
Auch die Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, in die auch die Unfalldaten der UK und FUK Brandenburg eingehen, zeigen ein markantes Unfallgeschehen in und kurz nach Hitzeperioden. Im Zuständigkeitsbereich der UK | FUK Brandenburg sind es neben Pflegekräften und den sog. Outdoor Workern auch Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste sowie Schülerinnen und Schüler, die unmittelbar Hitzefolgen erleiden oder mittelbar aufgrund der Hitzeeinwirkung verunfallen. Bei letzterem spielen bspw. aufgeheizte Fahrzeuge oder Treppenhäuser eine Rolle. Im schulischen Kontext kommt es bei hohen Temperaturen zu Hitzschlägen, Sonnenstichen oder Sonnenbränden, wenn Sportunterricht oder Outdooraktivitäten in der Zeit der höchsten Tagestemperaturen stattfinden.
Neben einer noch stärkeren Sensibilisierung kommt es präventiv auf technische und organisatorische Maßnahmen an. Hier sind vor allem die Arbeitgeber gefragt. Im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung müssen wirksame Maßnahmen umgesetzt werden. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass bspw. durch eine Fassadenverschattung ein Temperaturunterschied bis zu 10°C erreicht werden kann.
Nicht minder gefährdend ist die mit der Sonnenstrahlung verbundene UV-Strahlung. Hier zeigen sich die Folgen oft erst Jahrzehnte später, wenn Hautkrebs oder seine Vorstufen auftreten. Die entsprechende Berufskrankheit BK 5103, der sog. Weiße Hautkrebs, weist steigende Zahlen auf. Um die Erkrankung zu verhindern, muss ein wirksamer Schutz vor der UV-Strahlung erzielt werden. Wer sich während der Arbeit im Freien aufhalten muss, kommt um UV-Schutz-Kleidung und Sonnencreme mit hohem Schutzfaktor (50+) nicht herum.